Die Bundesbank geht in ihrem am 21. November 2019 veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht weiterhin davon aus, dass Wohnimmobilien in Deutschland in städtischen Gebieten zwischen 15 % und 30 % überbewertet sind. Die Marktteilnehmer würden davon ausgehen, dass die Wohnimmobilienpreise weiter steigen. Die Bundesbank befürchtet, dass die Marktteilnehmer zu sehr „in den Rückspiegel“ schauen und den Trend der Vergangenheit zu optimistisch in die Zukunft fortschreiben.
Die Beurteilung von Kreditrisiken hängt u.a. von der Werthaltigkeit der Kreditsicherheiten ab. Wenn Kredite ausfallen, bestimmt der Wert der zugehörigen Sicherheiten die Höhe der Verluste für die Kreditgeber. Niedrige Zinsen sind ein wichtiger Grund dafür, dass die Bewertungen an den globalen Anleihe- und teilweise auch an den Aktienmärkten im historischen Vergleich aktuell hoch sind. Über die Hälfte aller ausstehenden Bankkredite an inländische private Haushalte und Unternehmen sind Wohnungsbaukredite. Außerdem machen Immobilien in Deutschland mit 80 % einen wesentlichen Anteil des Anlagevermögens aus. Die Preise am deutschen Wohnimmobilienmarkt sind dabei im vergangenen Jahr mit etwa 8 % weiterhin kräftig gestiegen. Nach Einschätzung der Bundesbank waren Wohnimmobilien in Deutschland in städtischen Gebieten im Jahr 2018 zwischen 15 % und 30 % überbewertet. Seit Beginn des Preisaufschwungs im Jahr 2010 wurden von den Banken verstärkt Kredite zur Finanzierung von Wohnimmobilien vergeben. Dies war teilweise mit gelockerten Kreditvergabestandards verbunden.
Umfragedaten geben zudem Hinweise darauf, dass die privaten Haushalte in Deutschland damit rechnen, dass die Wohnimmobilienpreise weiter steigen. Auch die meisten Banken erwarten längerfristig weiter steigende Preise. Damit besteht die Gefahr, dass Marktteilnehmer zu sehr „in den Rückspiegel“ schauen und den Trend der Vergangenheit zu optimistisch in die Zukunft fortschreiben.
Ein unerwarteter Konjunktureinbruch und die damit verbundene schlechtere Schuldentragfähigkeit von Unternehmen und Haushalten könnten zu vermehrten Ausfällen bei Krediten führen. In Verbindung mit fallenden Immobilienpreisen würden sich zudem Verluste aus der Verwertung von Kreditsicherheiten ergeben.
Im Szenario eines unerwarteten Konjunktureinbruchs dürften steigende Kreditausfälle und Abschreibungen das Eigenkapital der Banken verringern. Problematisch dürfte in diesem Fall sein, dass die Risikovorsorge im Einklang mit der verbesserten Bonität der Kreditnehmer in den vergangenen Jahren stark gesunken ist. Denn dadurch würden sich Verluste aus Kreditausfällen schneller auf das Eigenkapital auswirken. Zudem würden in einem solchen Szenario die aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen steigen, und auch der Markt würde eine höhere Eigenkapitalausstattung fordern. Gerade die systemrelevanten Banken haben ihre ungewichtete Eigenkapitalquote jedoch zuletzt nur geringfügig erhöht und damit kaum zusätzliche Polster aufgebaut, um in einer krisenhaften Situation steigende Verluste abfedern zu können.
Derzeit gibt es laut Bundesbank keine Hinweise auf eine Spirale aus stark steigenden Wohnimmobilienpreisen, übermäßig steigenden Wohnimmobilienkrediten und erodierenden Kreditvergabestandards. Sollte sich eine solche Spirale in Gang setzen, könnte die makroprudenzielle Politik entgegenwirken, indem etwa Kreditvergabestandards stabilisiert werden. Hierzu werden zusätzlich zu der Loan to Value (LTV)-Obergrenze und der Amortisationsanforderung zwei einkommensbezogene Instrumente für den Wohnimmobilienmarkt gefordert. Beide Instrumente würden sich an Kreditwürdigkeitskennziffern orientieren, die regelmäßig bei der Kreditvergabe im Rahmen der Bonitätsprüfung von Kreditgebern berücksichtigt werden. Diese sind die Obergrenze für die Gesamtverschuldung-Einkommens-Relation (Debt-to-Income-Ratio: DTI) und die Schuldendienstfähigkeit (Debt-Service-to-Income-Ratio: DSTI).
Quelle: Finanzstabilitätsbericht 2019 der Deutschen Bundesbank